Pariser Passagen & Gute Adressen

Das beginnende bürgerliche Zeitalter im frühen 19. Jahrhundert entwickelte diese neue Form der Warenpräsentation: ganze Geschäftsstraßen unter gläsernen Dächern. Zur Blütezeit um 1830 gab es an der Seine über 100 dieser gläsernen Galerien. Die damals hoch moderne Gasbeleuchtung sorgte fürs Leben bis in die tiefe Nacht. So kamen nicht nur Käufer, sondern auf die Pariser Dandies. Der Verfall setzte bald ein. Die engen Gassen waren der aufblühenden Industrie zu klein. So lockten die neuen Kaufhäuser „Printemps“, „Samaritaine“ oder die „Galerie Lafayette“ die Konsumenten in ihre mit Licht durchfluteten Verkaufsräume. Die meisten Galerien wurden zugemauert, abgerissen oder aber spektakulär restauriert wie zum Beispiel die Galerie Colbert. 
Natürlich liegen alle Passagen auf dem rechten Seine-Ufer, das seit jeher Handelszentrum der Stadt ist. In der Rue Jacques Rousseau unweit der Metrostation Louvre finden Sie den Eingang zur Galerie Vero-Dodat. Zwei betuchte Metzgermeister ließen sie 1826 erbauen. Gedämpftes Licht dringt durch die dunklen Scheiben, die Farbe bröckelt von der Holztäfelung und fällt auf den Fußboden im Schachbrettmuster. In der kurzen Passage haben sich Galeristen und Antiquitätenhändler aber auch ein Paradies der der Fashionista angesiedelt. Hier befindet sich nämlich die schönste und größte aller Louboutin-Boutiquen. 

Hinter dem Gebäude der Banque de France liegt in der Rue des Petits Champs die Galerie Vivienne; mit der Galerie Colbert ein architektonisches Juwel der gläsernen Welt. Mosaikböden, Stuckzierrat auf den ockerfarbenen Wänden und Blumenschmuck bestimmen ihrem besonderen Charme. Jean-Paul Gaultier, der ehemalige Fürst der futuristischen Pariser Haute Couture hat sich hier eingekauft. Sein Show-Room sucht selbst in Paris seinesgleichen. Die Mode präsentiert sich auf grünmetallenen Skulpturen römischen Stils, während die Videos der letzten Defiles auf dem im Boden versinkenden Bildschirm laufen. Die anderen Mode-Geschäfte der Galerie Vivienne muten da vergleichsweise bescheiden an. Aber der Strass-Schmuck von Christian Astugevielle kann sich durchaus sehenlassen. Nebenan in der alten Buchhandlung Jousseaume befand sich früher eine Akademie der Magie von Meister Cagliostro, der unter dem besonderen Schutz von Marie-Antoinette stand. „A priori Thé“ gibt es im gleichnamigen Tee-Salon. Im Original Jugendstil „Bistrot Vivienne“ am Eingang isst man gut und zwar in einem wunderschönen Rahmen

In der Nähe der Pariser Börse befindet sich die Passage des Princes. Im schönsten Teil, unter dem Kuppel-Glasdach, hat sich heute einen Automaten-Spielsalon bereit gemacht, aber in der dahinterliegenden Galerie hört man das Getöse der Flipperkugeln nicht mehr. Verschiedene Geschäfte für Spielsachen sind in dieser Passage angesiedelt.

Hinter dem Varietee-Theater auf dem Boulevard Montmartre liegt der Eingang zur Passage Panorama. Die verschwundenen Ansichten der Stadt in Mailand, Florenz und Rom haben dieser Galerie ihren Namen gegeben. Diese Passage ist auch heute noch sehr beliebt und verfügt über ein verzweigtes Netz von Seitenstraßen. Münz- und Briefmarkensammler werden ihre Kollektion hier sicherlich um einige Stücke bereichern können. Die Boutique Nummer 15 heißt „Trompe l’Oeil“ also „optische Täuschung“ Täuschung. Die ausgestellten frische Früchte dürften in der Tat schwer verdaulich sein, denn sie sind aus Marmor. Monsieur Stern wirbt immer noch mit der Goldmedaille, die er 1876 für seine Visitenkarten gewonnen hat. Inzwischen gibt aber nicht nur das traditionsreiche Gravur-Atelier, sondern auch ein gleichnamiges Restaurant. Küche mit Blick auf das Künstlereingang des Varietee Theaters bietet das Restaurant Astair. Das winzige Restaurant „Passage 53“ wurde sogar von Michelin mit einem Stern honoriert. Chef Shinichi Sato übergibt dieses 2020 an Hideki Nakamura, der dort eine ähnliche, aber etwas erschwinglicher Küche unter dem Namen “La Table 53“ bereiten wird. Ganz allgemein gilt diese Passage als die der Feinschmecker.

Am Ausgang in der Rue du Faubourg Montmartre finden Sie an der Ecke zur Rue Richer den altmodischen Feinkostladen „A la Mère de Familie“. Da wird nicht nur der gallische Gaumen gelockt. Die Rue Richer und dann die Rue des Petites Ecuries führen Sie – vorbei am weltberühmten Folies Bergères – in die Rue Saint Denis. Diese ist mit den Parallelstraßen gleich durch mehrere Galerien verbunden. So die verkommene Passage Reilhac oder die Passage de l‘Industrie. Hier finden Sie alles, um ein Frisörsalon einzurichten; oder Sie kaufen Perrücken gleich im Dutzend. In der Passage du Prado rostet eine eigentümliche Stahlkonstruktion vor sich hin. Inder, Pakistani und Türken haben hier die bescheidenen Geschäfte aufgekauft. Auf der anderen Seite des Boulevard Montmartre – also im 9. Arrondissement – liegt die 1846 eröffnete Passage Jouffroy. Hier münden zwei Notausgänge des Pariser Wachsfigurenkabinett Musée Grevin. Paul Vulin ist Eigner einer verstaubten, antiquarischen Buchhandlung und Cinedoc verkauft Kino-Literatur und Plakate. Hier finden Sie sogar Originalposter aus den fünfziger Jahren unter anderem vom unvergessenen Jean Gabin als Kommissar Maigret. 

Auf der anderen Seite der Rue la Grange Batelière ist die Passage Verdeau, eine Fundgrube für Sammler aller Art: Die „Libraire Roland Buret“ bietet alte Comics. Le „Cabinet de Curieusités“, wartet, wie der Name es schon sagt, mit vielen Wunderlichkeiten auf. Die Boutique gegenüber heißt nach dem Roman von Emile Zola „Au bonheur des Dames“. Ihr Glück dürften hier wirklich Damen finden, deren Herz bei Kunstblumen, Stickereien und Seife in Pastellfarben höherschlägt. In dem Buchgeschäft „La Farfouille“ kann man in alten Büchern schmökern. 

Der monumentale Torbogen der Porte de Saint Denis erinnert an Glanz und Größe des Sonnenkönigs. Dahinter beginnt die Rue Saint Denis. Zurzeit Ludwig XIV. war sie die beste Pariser Geschäftsadresse für internationale Handelsgesellschaften. Heute warten leichte Mädchen auf Kunden aus aller Welt. 

Die Passage du Caire führt direkt ins „Sentier“, das Viertel der Textilfabrikanten. Die Kairo-Galerie ist die älteste in Paris. 1799 wurde sie eröffnet in einem Quartier, das damals bei Literaten sehr in Mode war. Auch die Pompadour und die Dubarry haben hier gewohnt. Und falls Sie sich über diese ägyptische Straßenbenennung wundern: Napoleons glorreiche Feldzüge standen Pate. In der Passage Du Caire bieten die Läden alles, was man braucht, um Klamotten zu verkaufen: Schaufensterpuppen Kleiderständer, Preisschilder bis hin zu Bügeln. Am Ausgang zur Place du Caire schmücken ägyptische Göttergestalten den Fries des Hôtel du Caire. Nur in der Mitte ziert ein Gesicht mit verschobenem Kinn und überlanger Nase das Gesims. Ein Portrait eines gewissen Bognier: Dieser übereifrige und strebsame Künstler wurde hier von einem seiner Kollegen als Pariser Spottgestalt verewigt. Wo heute die Häuser zwischen der Place du Caire, der Rue Damiette und der Rue Desforges stehen, war einst die Cour des Miracles, ein Unterschlupf aller zwielichtigen Elemente der Stadt. Victor Hugo beschrieb diesen sagenumwobenen Platz im Glöckner von Notre-Dame, nachdem schon lange zuvor Ludwig XIV. für Ordnung gesorgt hatte, indem er das Lumpenpack ins Salpetrière-Krankenhaus sperren ließ. Es bleibt noch eine letzte verstaubte Galerie, aber die Passage du Grand Cerf ist auch heute – trotz ihrer in Renovierung – nur spärlich besucht und mit wenigen Geschäften belegt.

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